Türchen Nr. 20

Die Rabe

Das goldene Schloss von Stromberg

Die Rabe, illustriert von Arthur Rackham (1867-1939) (aus „The Fairy Tales of the Brothers Grimm“, Doubleday, New York, 1909)

Es war einmal eine Königin, die hatte ein Töchterchen. Zu einer Zeit war das Kind unartig und hielt nicht Ruhe. Da ward die Mutter ungeduldig, und sie öffnete das Fenster und sagte: „Ich wollte, du wärst eine Rabe und flögst fort, so hätt ich Ruhe.“ Kaum hatte sie das Wort gesagt, so war das Kind in eine Rabe verwandelt und flog zum Fenster hinaus und in den Wald hinein. Einmal kam ein Mann in diesen Wald und er hörte die Rabe sprechen: „Ich bin eine Königstochter und verwünscht worden, du aber kannst mich erlösen. Geh weiter bis zu dem Haus, darin sitzt eine alte Frau, die wird dir Essen und Trinken reichen, aber du darfst nichts nehmen; sonst verfällst du in tiefen Schlaf. Hinter dem Haus sollst du auf mich warten.“ Der Mann versprach alles zu tun. Doch an den drei folgenden Tagen schlief der Mann jedes Mal, wenn die Königstochter zu ihm kam. Sie aber konnte ihn nicht aufwecken. Da legte sie ein Brot, ein Stück Fleisch und eine Flasche Wein neben ihn hin. Danach nahm sie ihren goldenen Ring und steckte ihn an seinen Finger. Zuletzt legte sie einen Brief hin, darin stand, was sie ihm gegeben hatte, und dass es nie all würde, und es stand auch darin: „Willst du mich erlösen, so komm nach dem goldenen Schloss von Stromberg.“ Als der Mann aufwachte fand er die wundersamen Dinge und den Brief. Also machte er sich auf und wollte nach dem goldenen Schloss, wusste aber nicht, wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da traf er auf einen Riesen, der lange nichts gegessen hatte. Der Mann holte sein Brot, Wein und Fleisch, das nicht all ward, und sie aßen nach Herzenslust. Dann trug der Riese den Mann nah an das goldene Schloss vom Stromberg. Es stand aber auf einem gläsernen Berge, und wie der Mann es auch anfing, er rutschte an dem Glas immer wieder herunter.

Einmal sah er, wie drei Räuber sich schlugen, und fragte sie nach dem Grund. Da sagte der eine, er hätte einen Stock; gefunden, wenn er damit wider eine Tür schlüge, so spränge sie auf; der andere sagte, er hätte einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, so wäre er unsichtbar; der dritte aber sprach, er hätte ein Pferd gefangen, damit könnte man überall hinreiten, auch den gläsernen Berg hinauf. Über diese Dinge seien sie in Streit geraten. Da sprach der Mann: „Die Sachen will ich euch eintauschen, doch muss ich vorher eine Probe machen, ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.“ Die Räuber überließen ihm also Pferd, Stock und Mantel. Schnell ritt er den Glasberg hinauf, und oben angekommen, schlug er mit dem Stock an das Tor, und alsbald sprang es auf. Er trat ein und ging zur Jungfrau. Sie konnte ihn aber nicht sehen, weil er den Mantel umhatte. Er zog den Ring vom Finger und warf ihn in ihren Kelch. Da rief sie: „Das ist mein Ring, so muss auch der Mann da sein.“ Er war aber hinausgegangen, hatte sich aufs Pferd gesetzt und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das Tor kam, sah sie ihn und schrie vor Freude, küsste ihn und sagte: „Jetzt hast du mich erlöst, und morgen wollen wir unsere Hochzeit feiern.“


Spätestens, wenn sich die Tür nur noch mit einem magischen Stock öffnen lässt, wird es Zeit für einen Türenwechsel. Ausbau der alten und Einbau der neuen Tür werden in unseren Videos und Fotostrecken erklärt.


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